Dienstag, 22. Dezember 2015
Vor Ort Hoffnung wecken - Weihnachtsbrief
Ingrid Halbritter berichtet in einem Weihnachtsbrief über eine junge Romafamilie in Sarajevo, die dank der Arbeit von Pharos Licht am Ende des Tunnels sieht. Die junge Mutter der Familie, ursprünglich aus dem Nachbarland Serbien und jahrelang illegal und ohne sozialen Schutz im Land, hat vor wenigen Tagen durch unsere Arbeit die Staatsangehörigkeit erhalten und kann nun ihre Menschenrechte verwirklichen. Den ganzen Brief finden Sie hier [pdf, 443 kb]...
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Sonntag, 13. Dezember 2015
Vor Ort Hoffnung wecken - Reisebericht des Pharos-Vorstands
Regelmäßig besucht und berät unser Vorstand die Pharos-Projekte in
Bosnien-Herzegowina. Der erste Vorstand, Hans Krämer, hat über den
jüngsten Besuch im November 2015 einen kurzen Reisebericht
verfasst, den wir hier veröffentlichen:
Alles in allem: Unsere Projekte sind gut unterwegs, doch die Risiken und Störgrößen sind nicht kleiner geworden. Hier nun einige Überschriften mit Erläuterungen in Kurzform:
Vertrieb von Himbeeren aus Fakovici in EU-Märkte möglich?
Sehen wir darin wirtschaftliche Vorteile?
Diese Frage besprachen wir am Sonntag (08.11.2015) ausführlich mit dem Beerenobstexperten Andreas Arnold. Unsere Idee war, dass 10 bis 20 Top-Erzeuger aus Fakovici im Jahr 2017 ca. 20 t tiefgefrorene Himbeeren in IQF-Qualität nach Deutschland verkaufen könnten als Pilotprojekt. Das Ziel wäre, einen höheren Gewinn zu erzielen, verglichen mit dem Gewinn auf lokalen Märkten.
Antwort in Kurzfassung: Ja, dies scheint ein realistisches Ziel zu sein. Nun geht es in Fakovici weiter mit der Frage eines Folgeantrags beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ):
Vorbereitung eines BMZ II-Antrages, das Beerenobstprojekt von 08/2016 bis 08/2017 erneut zu fördern. Ist dies realistisch? Stimmen wir mit den Erzeugern in den Zielen überein?
Intensive Beratungen fanden darüber Dienstag und Mittwoch in Fakovici statt. Ingrid und Slavica hatten im Vorfeld einen detaillierten Plan ausgearbeitet. Er basiert auf Vergangenheitswerten und Erfahrungen aus den Jahren 2013, 2014, 2015. Für 2016 wurden Schätzungen für das o.g. Exportmodell erarbeitet.
Es wurde deutlich, welche enormen Fortschritte die Gruppe der Top-Erzeuger, mit der wir schneller vorankommen wollen, erreicht hat und erreichen könnte in 2016. Darunter ist mindestens ein Mitglied, das 2015 eine um den Faktor 2 höhere Erntemenge erzeugt hat als in 2013. Im Prinzip ist also unser Entwicklungsprojekt eine richtig erfreuliche Erfolgsgeschichte.
Und doch, wir verlangen in dem Plan, der den Zielen des Antrags BMZ II zugrunde liegt, den Erzeugern einiges ab. Die Top-Erzeuger sollen, neben der Erfüllung zahlreicher Vorschriften und Erreichung der IQF-Qualität und Liefermengen die Kosten für den landwirtschaftlichen Fachberater selbst übernehmen. Dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Geschäftsmodell mit Verantwortungsübernahme und Nachhaltigkeit. Obwohl diese Kosten für den Fachberater sehr überschaubar sind angesichts des zu erwartenden Erlöses, scheint es fragwürdig, ob die Erzeuger bereit sind, diese Investition zu übernehmen.
Für uns ist dies von entscheidender Bedeutung, weil wir nur so erkennen können, ob Pharos daran denken kann, Ende 2017 das Projekt in die Selbständigkeit zu entlassen. Slavica wird nun bis Dezember 2015 in Einzelgesprächen ermitteln, ob die Top-Erzeuger bereit sind, sich wie oben beschrieben zu engagieren. Wir werden dann wissen, ob wir einen Antrag an das BMZ stellen können und sollen. Der Plan beschreibt im übrigen etwas abgeschwächte Ziele für zwei weitere Gruppen, die ich aber hier nicht näher darstellen will.
Besuch beim Bürgermeister der Kreisstadt Bratunac am Montag (09.11.2015)
Dies ist nun schon Routine, ihn zu besuchen. Er hatte Erfolge zu verkünden. Das große Weltbank-Projekt, das die Errichtung von Wasserreservoirs, die Herstellung von Brunnen oder Ähnlichem zum Bewässern der Himbeerplantagen für 28 Gemeinden vorsieht, ist inzwischen genehmigt. Dies erfolgt nach unserem demonstrierten Erfolgsmodell und darauf dürfen wir alle sehr stolz sein. Die Schlauchsysteme müssen dabei die Erzeuger selbst finanzieren. Auch hier taucht die Idee der Übernahme von Eigenverantwortung auf.
Des weiteren soll 4 km flussaufwärts von Bratunac eine Brücke über die Drina gebaut werden. Dies ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt, das den Verkehr zwischen Ost-Bosnien und Serbien erheblich verbessern wird. Beide Projekte sollen 2017 in Angriff genommen werden. Der Bürgermeister verabschiedet uns jedes Mal mit der Ermunterung, uns von Störenfrieden nicht beeindrucken zu lassen. „So sind wir halt“, sagt er. Siehe den nachfolgenden Punkt.
Störenfriede in Fakovici, Begegnungen am Dienstag und Mittwoch (10./11.11.2015)
Wir wurden in zwei Versammlungen schwer angegriffen. Einmal trat ein bitter enttäuschter Erzeuger in einer öffentlichen Versammlung erneut mit den alten Vorwürfen gegen uns auf. Er wirft uns Geldverschwendung wegen zu hoher Gehälter bei unseren Projektteammitgliedern und wegen der Einrichtung des Büros vor. Es geht unter anderem auch darum, dass ausgerechnet das Wasserreservoir, das er maßgeblich mit initiiert und mitgebaut hat, keinen ausreichenden Wasserdruck mehr aufweist, weil sich missbräuchliche Abnehmer angeschlossen haben.
Ein zweiter Kritikpunkt ist die Existenz und Gestaltung des Schulküchenbetriebs. Hier griff uns ein gewähltes Mitglied des Ortsverbandes schwer an. Wir hätten an dem Ortsverband vorbei diese Schulküche eingerichtet und Personal und Lebensmittellieferanten nach korrupten Gesichtspunkten ausgewählt, so die Klage. Wir wiesen daraufhin den Vorwurf der Korruption entschieden zurück. Wir zeigten, dass wir Personal und Lieferanten nach leicht nachvollziehbaren Kriterien ausgewählt hatten. Wir werden versuchen, in Zukunft kooperativ mit dem Ortsverband zusammenzuarbeiten.
Wir vereinbarten, dass der Ortsverband einen alternativen Vorschlag für die Lebensmittel- Lieferanten bis Februar 2016 vorlegen solle. Danach Beratung und Entscheidung, wie weiter vorgegangen werden soll.
Ich informierte inzwischen unsere Partnerorganisationen in Kassel und Eirene Holland über die Lage. Wir planen nun, dass die drei Vorsitzenden und Ingrid das Gesamtthema Schulküche am 16. und 17.01.2016 in Kassel beraten und nach Lösungen suchen sollen. Außerdem wollen wir einschätzen, welche unserer kühnen Gedanken für die Zukunft Fakovicis angesichts der Kritik realistisch sind.
Roma-Mitarbeiter-Teamtreffen am Donnerstag (12.11.2015)
Wir trafen unsere Mitarbeiterin Velida und unsere ehrenamtliche Mitarbeiterin Andrea, gebürtig aus Echterdingen, zum Mittagessen und zum anschließenden Review unseres großen Roma-Projektes.
Wir fragten: "Kommen wir den gesetzten Zielen näher, 22 Roma-Familien so zu befestigen, dass sie Ausweispapiere haben und damit für den Staat überhaupt sichtbar sind, Krankenversicherungen beantragen können, ihre Kinder in die Schule schicken und manches mehr."
Die Antwort war ausführlich und vielschichtig. Es gibt Ermutigendes zu berichten und es geht nicht ohne Enttäuschungen auf diesem Arbeitsgebiet. Ingrid wird, so hoffe ich, am Infoabend eine strukturierte Zusammenfassung zeigen, die ein Gefühl für diese schwere und äußerst wertvolle Arbeit bietet, die unsere Pharos-Mitarbeiterinnen Ingrid, Velida und Andrea hier leisten.
Besuch im verrutschten Bergdorf Zeljezno Polje (13.11.2015)
Wir entsteigen dem Auto und werden mit einer unbeschreiblichen Herzlichkeit und Dankbarkeit empfangen. Man zeigt uns, was mit unseren Spendenmitteln erreicht wurde (unter anderem haben wir dafür gesorgt, dass 50 Haushalte wieder einen Wasseranschluss bekamen), und wir sind aufs Neue selbst Beschenkte, als wir das Dorf nach einigen Stunden wieder verlassen.
Noch immer sind Planierraupen dabei, die ungeheuren Mengen Schutt der Murenabgänge und der vom Bach angeschwemmten Erdmengen zu verteilen. Viele Häuser sind verlassen, viele werden nie wieder bewohnt werden können, denn niemand kann sagen, ob der Bergrutsch irgendwann weitergeht. Aber der Geist in dieser Himbeeren-Erzeugergemeinschaft ist trotz aller äußerer Not geprägt von Vertrauen, dem Mörtel, der ein Geschäft zusammenhält.
Zum Schluss kaufen wir eine Kuh bei Walter Kofler und seiner Familie und schenken sie der Roma- Großfamilie mit dem Oberhaupt Oma Fatima in Vitez. Dies ist der erneute und gut vorbereitete Start eines Projektes, das sich erst noch bewähren muss. Der Viehzüchter Kofler hat eine Hochleistungskuh ausgesucht, die täglich bis zu 30 l Milch geben kann, wenn sie denn gut gefüttert wird. Sie wird demnächst ein Kalb zur Welt bringen. Die Familie hat nach der Einschätzung von Kofler das Zeug und die Erfahrung, mit dem Tier umzugehen. Wenn alles gut geht, kann das Projekt seine Fortsetzung finden mit dem Schenken von zwei weiteren Kühen an Roma-Familien.
Das Pharos-Leitungsteam wird sich mit allen o.g. Themen bei unserem Strategietreffen am 24. Januar 2016 auseinandersetzen und überlegen, wo wir in 10 Jahren mit Pharos sein wollen...
Alles in allem: Unsere Projekte sind gut unterwegs, doch die Risiken und Störgrößen sind nicht kleiner geworden. Hier nun einige Überschriften mit Erläuterungen in Kurzform:
Vertrieb von Himbeeren aus Fakovici in EU-Märkte möglich?
Sehen wir darin wirtschaftliche Vorteile?
Diese Frage besprachen wir am Sonntag (08.11.2015) ausführlich mit dem Beerenobstexperten Andreas Arnold. Unsere Idee war, dass 10 bis 20 Top-Erzeuger aus Fakovici im Jahr 2017 ca. 20 t tiefgefrorene Himbeeren in IQF-Qualität nach Deutschland verkaufen könnten als Pilotprojekt. Das Ziel wäre, einen höheren Gewinn zu erzielen, verglichen mit dem Gewinn auf lokalen Märkten.
Antwort in Kurzfassung: Ja, dies scheint ein realistisches Ziel zu sein. Nun geht es in Fakovici weiter mit der Frage eines Folgeantrags beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ):
Vorbereitung eines BMZ II-Antrages, das Beerenobstprojekt von 08/2016 bis 08/2017 erneut zu fördern. Ist dies realistisch? Stimmen wir mit den Erzeugern in den Zielen überein?
Intensive Beratungen fanden darüber Dienstag und Mittwoch in Fakovici statt. Ingrid und Slavica hatten im Vorfeld einen detaillierten Plan ausgearbeitet. Er basiert auf Vergangenheitswerten und Erfahrungen aus den Jahren 2013, 2014, 2015. Für 2016 wurden Schätzungen für das o.g. Exportmodell erarbeitet.
Es wurde deutlich, welche enormen Fortschritte die Gruppe der Top-Erzeuger, mit der wir schneller vorankommen wollen, erreicht hat und erreichen könnte in 2016. Darunter ist mindestens ein Mitglied, das 2015 eine um den Faktor 2 höhere Erntemenge erzeugt hat als in 2013. Im Prinzip ist also unser Entwicklungsprojekt eine richtig erfreuliche Erfolgsgeschichte.
Und doch, wir verlangen in dem Plan, der den Zielen des Antrags BMZ II zugrunde liegt, den Erzeugern einiges ab. Die Top-Erzeuger sollen, neben der Erfüllung zahlreicher Vorschriften und Erreichung der IQF-Qualität und Liefermengen die Kosten für den landwirtschaftlichen Fachberater selbst übernehmen. Dies wäre ein wichtiger Schritt in Richtung Geschäftsmodell mit Verantwortungsübernahme und Nachhaltigkeit. Obwohl diese Kosten für den Fachberater sehr überschaubar sind angesichts des zu erwartenden Erlöses, scheint es fragwürdig, ob die Erzeuger bereit sind, diese Investition zu übernehmen.
Für uns ist dies von entscheidender Bedeutung, weil wir nur so erkennen können, ob Pharos daran denken kann, Ende 2017 das Projekt in die Selbständigkeit zu entlassen. Slavica wird nun bis Dezember 2015 in Einzelgesprächen ermitteln, ob die Top-Erzeuger bereit sind, sich wie oben beschrieben zu engagieren. Wir werden dann wissen, ob wir einen Antrag an das BMZ stellen können und sollen. Der Plan beschreibt im übrigen etwas abgeschwächte Ziele für zwei weitere Gruppen, die ich aber hier nicht näher darstellen will.
Besuch beim Bürgermeister der Kreisstadt Bratunac am Montag (09.11.2015)
Dies ist nun schon Routine, ihn zu besuchen. Er hatte Erfolge zu verkünden. Das große Weltbank-Projekt, das die Errichtung von Wasserreservoirs, die Herstellung von Brunnen oder Ähnlichem zum Bewässern der Himbeerplantagen für 28 Gemeinden vorsieht, ist inzwischen genehmigt. Dies erfolgt nach unserem demonstrierten Erfolgsmodell und darauf dürfen wir alle sehr stolz sein. Die Schlauchsysteme müssen dabei die Erzeuger selbst finanzieren. Auch hier taucht die Idee der Übernahme von Eigenverantwortung auf.
Des weiteren soll 4 km flussaufwärts von Bratunac eine Brücke über die Drina gebaut werden. Dies ist ein wichtiges Infrastrukturprojekt, das den Verkehr zwischen Ost-Bosnien und Serbien erheblich verbessern wird. Beide Projekte sollen 2017 in Angriff genommen werden. Der Bürgermeister verabschiedet uns jedes Mal mit der Ermunterung, uns von Störenfrieden nicht beeindrucken zu lassen. „So sind wir halt“, sagt er. Siehe den nachfolgenden Punkt.
Störenfriede in Fakovici, Begegnungen am Dienstag und Mittwoch (10./11.11.2015)
Wir wurden in zwei Versammlungen schwer angegriffen. Einmal trat ein bitter enttäuschter Erzeuger in einer öffentlichen Versammlung erneut mit den alten Vorwürfen gegen uns auf. Er wirft uns Geldverschwendung wegen zu hoher Gehälter bei unseren Projektteammitgliedern und wegen der Einrichtung des Büros vor. Es geht unter anderem auch darum, dass ausgerechnet das Wasserreservoir, das er maßgeblich mit initiiert und mitgebaut hat, keinen ausreichenden Wasserdruck mehr aufweist, weil sich missbräuchliche Abnehmer angeschlossen haben.
Ein zweiter Kritikpunkt ist die Existenz und Gestaltung des Schulküchenbetriebs. Hier griff uns ein gewähltes Mitglied des Ortsverbandes schwer an. Wir hätten an dem Ortsverband vorbei diese Schulküche eingerichtet und Personal und Lebensmittellieferanten nach korrupten Gesichtspunkten ausgewählt, so die Klage. Wir wiesen daraufhin den Vorwurf der Korruption entschieden zurück. Wir zeigten, dass wir Personal und Lieferanten nach leicht nachvollziehbaren Kriterien ausgewählt hatten. Wir werden versuchen, in Zukunft kooperativ mit dem Ortsverband zusammenzuarbeiten.
Wir vereinbarten, dass der Ortsverband einen alternativen Vorschlag für die Lebensmittel- Lieferanten bis Februar 2016 vorlegen solle. Danach Beratung und Entscheidung, wie weiter vorgegangen werden soll.
Ich informierte inzwischen unsere Partnerorganisationen in Kassel und Eirene Holland über die Lage. Wir planen nun, dass die drei Vorsitzenden und Ingrid das Gesamtthema Schulküche am 16. und 17.01.2016 in Kassel beraten und nach Lösungen suchen sollen. Außerdem wollen wir einschätzen, welche unserer kühnen Gedanken für die Zukunft Fakovicis angesichts der Kritik realistisch sind.
Roma-Mitarbeiter-Teamtreffen am Donnerstag (12.11.2015)
Wir trafen unsere Mitarbeiterin Velida und unsere ehrenamtliche Mitarbeiterin Andrea, gebürtig aus Echterdingen, zum Mittagessen und zum anschließenden Review unseres großen Roma-Projektes.
Wir fragten: "Kommen wir den gesetzten Zielen näher, 22 Roma-Familien so zu befestigen, dass sie Ausweispapiere haben und damit für den Staat überhaupt sichtbar sind, Krankenversicherungen beantragen können, ihre Kinder in die Schule schicken und manches mehr."
Die Antwort war ausführlich und vielschichtig. Es gibt Ermutigendes zu berichten und es geht nicht ohne Enttäuschungen auf diesem Arbeitsgebiet. Ingrid wird, so hoffe ich, am Infoabend eine strukturierte Zusammenfassung zeigen, die ein Gefühl für diese schwere und äußerst wertvolle Arbeit bietet, die unsere Pharos-Mitarbeiterinnen Ingrid, Velida und Andrea hier leisten.
Besuch im verrutschten Bergdorf Zeljezno Polje (13.11.2015)
Wir entsteigen dem Auto und werden mit einer unbeschreiblichen Herzlichkeit und Dankbarkeit empfangen. Man zeigt uns, was mit unseren Spendenmitteln erreicht wurde (unter anderem haben wir dafür gesorgt, dass 50 Haushalte wieder einen Wasseranschluss bekamen), und wir sind aufs Neue selbst Beschenkte, als wir das Dorf nach einigen Stunden wieder verlassen.
Noch immer sind Planierraupen dabei, die ungeheuren Mengen Schutt der Murenabgänge und der vom Bach angeschwemmten Erdmengen zu verteilen. Viele Häuser sind verlassen, viele werden nie wieder bewohnt werden können, denn niemand kann sagen, ob der Bergrutsch irgendwann weitergeht. Aber der Geist in dieser Himbeeren-Erzeugergemeinschaft ist trotz aller äußerer Not geprägt von Vertrauen, dem Mörtel, der ein Geschäft zusammenhält.
Zum Schluss kaufen wir eine Kuh bei Walter Kofler und seiner Familie und schenken sie der Roma- Großfamilie mit dem Oberhaupt Oma Fatima in Vitez. Dies ist der erneute und gut vorbereitete Start eines Projektes, das sich erst noch bewähren muss. Der Viehzüchter Kofler hat eine Hochleistungskuh ausgesucht, die täglich bis zu 30 l Milch geben kann, wenn sie denn gut gefüttert wird. Sie wird demnächst ein Kalb zur Welt bringen. Die Familie hat nach der Einschätzung von Kofler das Zeug und die Erfahrung, mit dem Tier umzugehen. Wenn alles gut geht, kann das Projekt seine Fortsetzung finden mit dem Schenken von zwei weiteren Kühen an Roma-Familien.
Das Pharos-Leitungsteam wird sich mit allen o.g. Themen bei unserem Strategietreffen am 24. Januar 2016 auseinandersetzen und überlegen, wo wir in 10 Jahren mit Pharos sein wollen...
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Mittwoch, 25. November 2015
Vor Ort Hoffnung wecken - Einladung zum Pharos-Informationsabend
Ingrid bei einer Familie in der Roma-Siedlung Sofa bei Vitez in Bosnien |
Wir veranstalten in Kooperation mit der VHS Leinfelden-Echterdingen und der evangelischen Kirchengemeinde Echterdingen einen Infoabend und berichten dort über unsere Tätigkeit. Der Eintritt ist frei. Sie sind herzlich eingeladen:
Montag, 7. Dezember 2015, 19:00 Uhr
Philipp-Matthäus-Hahn-Gemeindehaus
Bismarckstraße. 3
70771 Leinfelden-Echterdingen
Vor Ort Hoffnung wecken …
Bosnien und der Westbalkan zwischen Kriegsfolgen und Europäischer Union
- Sorgenkind des Westlichen Balkans: Bosnien-Herzegowina und die EU
Vortrag von Dr. Ragnar Müller, Politikwissenschaftler und Schatzmeister von Pharos e.V. - Aus erster Hand: Die Entwicklungsarbeit von Pharos e.V. in Bosnien-Herzegowina
Vortrag von Ingrid Halbritter M.A., Projektleiterin bei Pharos e.V. - Abschlussgespräch
Moderation Hans Krämer, Vorsitzender des Vorstands von Pharos
Sonntag, 22. November 2015
20 Jahre nach Dayton: Valentin Inzko im Interview
Valentin Inzko, seit 2009 Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina (www.ohr.int), spricht im Interview mit dem für Südosteuropa zuständigen ARD-Studio Wien über die Entwicklung in Bosnien, wobei er - und das ist angesichts unseres Himbeerprojekts in Fakovici besonders bedeutsam - den Beerenobstanbau ausdrücklich als Hoffnungsschimmer in der desolaten wirtschaftlichen Lage herausstellt:
Dienstag, 17. November 2015
Bosnien 20 Jahre nach dem Krieg - Podcast
Vor genau 20 Jahren, im November 1995, beendete das Daytoner Abkommen die Kriege in Jugoslawien. SWR2 Wissen beleuchtet die seitherige Entwicklung in einem knapp halbstündigen Beitrag:
"100.000 Tote waren zu beklagen, mehr als 2 Millionen Menschen wurden vertrieben. Der Wiederaufbau wurde von der internationalen Gemeinschaft mit erheblichen Mitteln unterstützt. Doch noch immer wird die Politik von den nationalistischen Agenden der drei großen ethnischen Parteien bestimmt - auf der Grundlage eines monströsen und dysfunktionalen Staatsgebildes, das nicht nur Unsummen verschlingt und die Bürger frustriert, sondern auch eine Annäherung an die EU bis auf Weiteres unmöglich macht. Mehr noch: Heute wird das Friedensabkommen von Dayton selbst als das entscheidende Hindernis gesehen, die innere Blockade des Landes zu überwinden."Den Podcast finden Sie hier. Das Manuskript kann als pdf heruntergeladen werden...
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Montag, 9. November 2015
Balkan und EU - Podcast
Fokus Europa, ein Blog der Heinrich-Böll-Stiftung, hat heute ein Podcast zum Thema "Der Balkan und Europa" veröffentlicht. Der Journalist Rüdiger Rossig spricht 1,5 Stunden lang über die Entwicklung Südosteuropas seit den 1990er Jahren.
Die ersten 10 Minuten geht es um die Musikszene im Jugoslawien der 1980er Jahre, ab 10:30 min um das unvermeidliche Thema Krieg sowie um Nationalismus als Machtinstrument im Zerfallsprozess Jugoslawiens. Die rund 10 Minuten zwischen 33:00 min und 43:00 min sind Albanien (inklusive einem Seitenblick aufs Kosovo) gewidmet.
Dann erst, also ab 43:00 min, geht es um das eigentliche Thema, die europäische Perspektive der Nachfolgestaaten Jugoslawiens und Albaniens. Natürlich kommt die Sprache auch auf Flüchtlinge und die letzte größere Flüchtlingsbewegung während der Kriege der 1990er Jahre.
Ab 57:30 min rückt die Europäische Union in den Mittelpunkt. Es wird kritisch Bilanz gezogen hinsichtlich des EU-Engagements in Bosnien und Kosovo. Rossig fasst kompetent und lebhaft die wichtigsten Entwicklungslinien zusammen. Nachhören lohnt sich...
Die ersten 10 Minuten geht es um die Musikszene im Jugoslawien der 1980er Jahre, ab 10:30 min um das unvermeidliche Thema Krieg sowie um Nationalismus als Machtinstrument im Zerfallsprozess Jugoslawiens. Die rund 10 Minuten zwischen 33:00 min und 43:00 min sind Albanien (inklusive einem Seitenblick aufs Kosovo) gewidmet.
Dann erst, also ab 43:00 min, geht es um das eigentliche Thema, die europäische Perspektive der Nachfolgestaaten Jugoslawiens und Albaniens. Natürlich kommt die Sprache auch auf Flüchtlinge und die letzte größere Flüchtlingsbewegung während der Kriege der 1990er Jahre.
Ab 57:30 min rückt die Europäische Union in den Mittelpunkt. Es wird kritisch Bilanz gezogen hinsichtlich des EU-Engagements in Bosnien und Kosovo. Rossig fasst kompetent und lebhaft die wichtigsten Entwicklungslinien zusammen. Nachhören lohnt sich...
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Montag, 19. Oktober 2015
Vergangenheitspolitik und Versöhnung
Geschichts- bzw. Erinnerungs- bzw. Identitäts- bzw. Vergangenheitspolitik ist ein ebenso zentrales wie brisantes Thema in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens. Traditionen und Feiertage werden erfunden, Mythen instrumentalisiert, Straßen umbenannt, Gedenkstätten und Denkmäler schießen überall wie Pilze aus dem geschichtsgesättigten Boden. Warum das so ist, dazu schreibt Todor Kuljić in seinem 2010 erschienenen Buch "Umkämpfte Vergangenheiten. Die Kultur der Erinnerung im postjugoslawischen Raum" (Verbrecher Verlag) lakonisch:
"Vielleicht kann man die heutige Situation der neuen jugoslawischen Staaten besser verstehen, wenn man weiß, dass zwischen Triest und dem Ural vor fast hundert Jahren nur sechs der heutigen 23 Staaten existierten (...). Angesichts der Tatsache, dass neue Staaten immer auch eine neue Vergangenheit benötigen, erklärt die hohe Zahl der neu entstandenen Staaten, warum so viele phantastische und nebeneinander herlaufende Versionen von Geschichte im Umlauf sind." (S. 39) "Die ehemaligen jugoslawischen Republiken wurden plötzlich uralt." (S. 126)Die neuen Nationalismen entstanden seit den 1980er Jahren zunächst in Frontstellung gegen Kommunismus, Tito und Jugoslawien (und damit gegen den Antifaschismus, der allen drei zugrundeliegt), dann in Abgrenzung gegen die anderen im Prozess der Erfindung begriffenen Nationen im postjugoslawischen Raum und führten schließlich zum Krieg, dem sich der bis heute andauernde "Bürgerkrieg der Erinnerungen" (S. 152) anschloss.
"Wie die Anhänger der Postmoderne konstatieren, haben große Geschichten und Helden ihre Bedeutung verloren. Für den postjugoslawischen Raum trifft dies nicht zu, auf dieser Region lastet immer noch schwer die Vergangenheit, auch wenn es Anzeichen für die allmähliche Verarbeitung dieser Vergangenheit gibt." (S. 150)Solche Anzeichen finden sich beispielsweise in zwei jüngeren Arbeiten über die Geschichtspolitik in Bosnien-Herzegowina, die auf der Website des "Imre Kertész Kolleg’s Cultures of History Forum" an der Friedrich-Schiller-Universität Jena veröffentlicht wurden:
- Nicolas Moll: Division and Denial and Nothing Else? Culture of History and Memory Politics in Bosnia and Herzegovina
- Ljubinka Petrović-Ziemer: Cultures of Remembrance in Sarajevo, or the Protracted Search for Multiperspectivity and Integration
- Interview mit Nicolas Moll:
"Our Hero, Your Killer: A Sarajevo Story"
(10.08.2015) - Interview mit Ljubinka Petrović-Ziemer:
"Distorted Remembrance Culture ‘Traps Bosnia in Past’"
(12.10.2015)
Dienstag, 13. Oktober 2015
Brief aus Bosnien: Reiche Ernte
Foto: Dauni, CC0, Quelle |
Davon handelt der aktuelle Brief aus Bosnien von Ingrid Halbritter, den Sie hier [pdf, 393 kb] lesen können.
Es handelt sich bereits um den 19. Brief aus Bosnien. Alle Briefe seit 2005 finden Sie auf unserer Website...
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Dienstag, 22. September 2015
Wie viel helfen ist angemessen?
Der Guardian, eine der weltweit besten Zeitungen, veröffentlicht seit einiger Zeit täglich einen Guardian Long Read, einen sehr ausführlichen und in aller Regel sehr guten Artikel. Der heutige Text von Larissa MacFarquhar beschäftigt sich mit Fragen rund um Moral und Altruismus, die sich jeder Hilfsorganisation bei der täglichen Arbeit stellen: "Extreme altruism: should you care for strangers at the expense of your family"...
Dienstag, 18. August 2015
Das Nationalmuseum in Sarajevo
Bild: Julian Nitzsche, CC-BY-SA 4.0 |
"Das Nationalmuseum von Bosnien und Herzegowina (...) in Sarajevo (...) wurde als staatliche Museumsinstitution am 1. Februar 1888 eröffnet. Seit seiner Eröffnung nahm das Museum eine exponierte Rolle unter den musealen und Forschungsinstitutionen im damaligen Bosnien-Herzegowina ein und war dessen erste Einrichtung ihrer Art. Im modernen Bosnien-Herzegowina zählt es auf Grund seiner Geschichte zu den führenden wissenschaftlichen Institutionen des Landes. Da sich die drei konstitutionellen Volksgruppen Bosniens nicht über die Finanzierung der zentralen Kultureinrichtungen einig werden, ist das Museum seit Oktober 2012 geschlossen."Vor wenigen Tagen sagte die Vizedirektorin des Museums, Marica Filipović, in einem Interview mit der taz:
"Offiziell geht es um die Finanzierung, tatsächlich ist das Museum politisch schlicht nicht gewollt. Wir haben dieses „von Bosnien und Herzegowina“ im Namen und sind eine gesamtstaatliche Institution, doch Entscheidungen werden in Bosnien in den Entitäten getroffen. Dieses Problem ist im Vertrag von Dayton, der das Land in die Republika Srpska und die Bosnisch-Kroatische Föderation teilte, verankert. Die Situation hier am Museum steht somit symbolisch für den Zustand des gesamten Landes."Nachtrag (22.08.2015): Zwischenzeitlich hat auch die Neue Zürcher Zeitung über das drohende Ende des bosnischen Nationalmuseums in Sarajevo berichtet: "Der Anfang vom Ende?".
Montag, 3. August 2015
20 Jahre Srebrenica (II)
Anlässlich des 20. Jahrestages des Völkermordes von Srebrenica sind in den letzten Tagen und Wochen zahlreiche Artikel und Reportagen erschienen, darunter auch ein Beitrag von Erich Rathfelder (taz, 10.07.2015), der damals vor Ort war und sich erinnert: "Der Deal mit dem Hass".
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Freitag, 31. Juli 2015
Vorurteilsforschung zum Antiziganismus
"Es hat fast 40 Jahre gedauert, bis nach Kriegsende eine deutsche Regierung den Völkermord an den Sinti und Roma anerkannt hat. Weitere 30 Jahre dauerte es, bis die Bundesrepublik Deutschland in Berlin ein zentrales Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma in Europa realisierte."Das sind die ersten Zeilen des Vorworts von Romani Rose in dem kürzlich hier im Blog vorgestellten Buch "Sinti und Roma. Eine deutsche Minderheit zwischen Diskriminierung und Emanzipation" (hg. v. Oliver von Mengersen), das bei der Bundeszentrale für politische Bildung (hier) bestellt werden kann. Das Buchangebot der Bundeszentrale wurde kürzlich um eine weitere wichtige Publikation zur größten europäischen Minderheit ergänzt. Neu im Programm ist nämlich das folgende, äußerst lesenswerte Buch:
Wolfgang Benz, Sinti und Roma: Die unerwünschte Minderheit. Über das Vorurteil Antiziganismus (Online-Bestellung bei der BpB).Wie der Untertitel andeutet, versucht sich Wolfgang Benz der Thematik aus der Perspektive der Vergleichenden Vorurteilsforschung zu nähern. Da er sich seit langem intensiv mit dem Antisemitismus auseinandersetzt, heißt das, dass Antiziganismus in erster Linie damit verglichen wird, was an einigen Stellen des Buches sehr zur Erhellung von Vorurteilen, Stereotypen, Ressentiments und Klischees (sowie deren Genese und Funktion) beiträgt. Auf der BpB-Website findet sich folgende Kurzbeschreibung:
"Wenn die Rede auf Sinti und Roma kommt, entstehen häufig Bilder im Kopf: Vorstellungen von Armut, Kriminalität, mangelnder Fähigkeit oder Bereitschaft zur Anpassung. Dabei vermischen sich tradierte Vorurteile, auch aus der Literatur, mit modernen Assoziationen, die medial oder auch politisch befeuert werden. Wolfgang Benz stellt die reflexartige Ablehnung ebenso wie das Stereotyp von der Gefahr infrage, die Sinti und Roma angeblich für Gesellschaft, Arbeitsmarkt und Sozialsysteme darstellen. Er beleuchtet mit Methoden der vergleichenden Vorurteilsforschung zunächst Mechanismen, Gründe, Folgen und Strukturen eines europaweit noch immer verbreiteten Antiziganismus. In Interviews mit politischen und gesellschaftlichen Akteuren wird zudem nach Ansätzen dafür gefragt, wie ein menschenrechtskonformer, auf Integration zielender, guter Umgang mit der Minderheit auf kommunaler und sozialer Ebene aussehen kann."Wer sich etwas ausführlicher über das Buch informieren möchte, dem sei die Rezension von Tobias von Borcke auf H-Soz-Kult empfohlen.
Montag, 6. Juli 2015
Roma im Donauraum - aktuelle Ausgabe von danube connects
In der ersten Ausgabe 2015 des Online-Magazins danube connects mit dem Titel "Looking Ahead: A Future Worth Living for Roma in the Danube Region" wird auf Seite 19 die Arbeit von Pharos mit Roma in Sarajevo vorgestellt. Pharos nimmt sich derjenigen Angehörigen der Roma an, die staatenlos sind, "rechtlich unsichtbar" und illegal in Bosnien-Herzegowina leben. Der Verein erreicht, dass diese Menschen nachträglich ins Geburtsregister eingetragen werden, Ausweispapiere erhalten und Zugang zu staatlichen sozialen Leistungen haben.
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Freitag, 3. Juli 2015
20 Jahre Srebrenica
Der Bayerische Rundfunk hat ein interessantes und recht umfangreiches Online-Angebot zum bevorstehenden 20. Jahrestag des Massakers von Srebrenica eingerichtet: "Die Schatten von Srebrenica - 20 Jahre nach dem Bosnienkrieg". Einleitend heißt es auf der Webseite:
Der Mord an mehr als 8000 bosnischen Muslimen im Jahr 1995 und wie es dazu kommen konnte, bewegt auch uns Korrespondenten bis heute. Zum 20. Jahrestag ging es uns darum, das Massaker von Srebrenica aus der „Jetzt–Perspektive“ zu beleuchten: Wie leben die Menschen in Bosnien mit der schrecklichen Geschichte? Wie stark beherrscht die Vergangenheit ihre Gegenwart und ihre Zukunft?
Mittwoch, 24. Juni 2015
Lea (19) aus Sarajevo
Bald jähren sich der Massenmord von Srebrenica und das Ende des Bosnienkrieges zum 20. Mal. Beide Jahrestage werfen ihre Schatten voraus. So berichtet beispielsweise Ulrich Ladurner in seinem Zeit-Blog "Post von unterwegs" seit ein paar Tagen aus Sarajevo. Neben der traurigen Geschichte von der bosnischen Milch und einem Lagebericht aus dem Warteraum Europas wird in dem Posting "Im Frieden geboren, vom Krieg belastet" mit Lea Ciric eine Jugendliche aus Sarajevo porträtiert:
"Ciric fühlt sich wie eine Gefangene einer Geschichte, die ihr keine Möglichkeit auf einen Neuanfang bietet. Dabei ist sie erst 19."
Sonntag, 21. Juni 2015
Hass und Himbeeren
Ein „unpolitischer“ Reiseversuch zwischen Sarajevo und Belgrad
Gastbeitrag von Lennart Will
Das serbokroatische Wort für Hass besteht in der Hauptsache aus fünf Konsonanten und ist für mich als Deutschmuttersprachler vor allem unaussprechlich: mŕžnja. In seiner Hackigkeit möchte ich es beinahe lautmalerisch nennen. Onomatopoetisch – denke ich. Vrrroom Vrrroom. Wuff wuff. Ratatat. Peng peng. Mŕžnja mŕžnja. Ein Wort wie eine Panzersperre. Ich benutze es zum ersten Mal im Sommer 2013. Es steht auf Seite 305 in Langenscheidts Universal-Wörterbuch Serbokroatisch, dem „unentbehrlichen Hilfsmittel auf einer Reise nach Jugoslawien“, 106 mal 72 Millimeter, siebzehnte Auflage 1994-oh-was-ist-alles-seitdem-passiert. Ratatat. Peng peng. Mŕžnja mŕžnja. Serbien, Serbien: Wie soll ich sprechen, wie soll ich denken, wer soll ich sein in diesem Land?
Sprachbunker
Genauer bin ich in Zentralserbien, auch Engeres Serbien genannt. Im Westen dieses engen oder engeren Serbiens oder Serbiens im engeren Sinne liegt Ivanjica, 12.000 Einwohner, und in Ivanjica die Straße Šljivići, die sich ausgehend vom einzigen Kreisverkehrs des Städtchens, teils geteert, teils unbefestigt einen Hügel hochzwingt. Und dort oben, wo die Straße aufhört, bevor Wälder und Himbeerplantagen beginnen im Abendsonnenlicht, steht rechterhand ein eingeschossiges Einfamilienhaus mit drei Zimmern und Bad.
Und in der Wohnküche ein Sofa und auf dem Sofa ich und in meinen Händen der weichgeblätterte Langescheidt. Und neben mir Miloš Grujović, 16 Jahre und ein paar Zentimeter größer als ich, mit kurzgeschorenem blonden Haar und aufgeweckten Augen, pubertierend und ein wenig Macho, der mir soeben mit einem provokanten Lächeln und einer noch provokanteren Geste auf Höhe seiner Kehle klarmacht, dass man alle Albaner umbringen müsste.
In den simplen Ein- bis Zwei-Wort-Sätzen, die Miloš verwenden muss, damit ich nachvollziehen kann, was er sagt, knittert sich die Sprache zu starren Sinnblöcken zusammen. „Albaner“ und „töten“ gehören hier so unvermeidlich zusammen wie „Soldat“ und „Held“ oder „Deutschland“ und „Arbeit“. Kleine Bunker, in denen man sich als gefühlter Analphabet kaum bewegen kann. Ich habe vor dieser Reise zwei Stunden eines Serbokroatischkurses besucht, davon abgesehen spreche ich kein Serbisch oder Kroatisch oder Kroatoserbisch, Bosnisch oder Montenegrinisch und auch keine verwandte slawische Sprache; habe mich also freiwillig in diese ungewisse Bunkerlandschaft begeben.
Wie eine Warnkarte ziehe ich das kleine gelbe Buch hervor. Miloš hat sich in den letzten 24 Stunden daran gewöhnt, dass ich mir damit einen diplomatischen Wartebereich, eine entmilitarisierte Zone schaffe, in der ich nach den richtigen Worten suchen kann. Jetzt wartet er auf meine Antwort. Seine Mutter Mirjana räumt uns gegenüber den Esstisch ab und lauscht. Ich beginne zu blättern...
Bi Äitsch
Bevor ich vor zwei Tagen über die serbische Grenze kam, verbrachte ich eine Woche in Sarajevo, fünf Tage davon als Teil einer Exkursionsgruppe. „Konfliktsensible Entwicklungszusammenarbeit in einer Post-Bürgerkrieg-Gesellschaft“, so war der Forschungsaufenthalt überschrieben, währenddessen wir ein rundes Dutzend internationaler Organisationen besuchten, die sich seit dem Ende des Bosnienkriegs 1995 in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas angesiedelt haben.
OHC, UNDP, OHR, GIZ, ICMP, Akronymlabyrinthe, Korridore, Aufzüge, Metallscans, Besprechungsräume, Hosenanzüge, Krawatten, Abzeichen, Ränge, Flaggen und Fähnchen, Powerpointing, frustriertes Friedensdienstvokabular und politisch korrekte Fingerzeige, Aufschlussreiches hinter verschlossenen Türen, aber auch unnütze Antworten auf immergleiche Fragen.
Schnell, sehr schnell, so hatte ich das Gefühl, konnten wir uns im kosmopolitischen Sarajevo die aktuelle Lage des Landes erschließen lassen. Konnten lernen, wie man als „Internationaler“ über die politischen Wirren Ex-Jugoslawiens so denkt und schwadroniert. Konnten einstimmen in die deutschen und englischen Jammerchoräle über das unregierbare Bosnien-Herzegowina, einen „Failed State“, und lernten im Gespräch mit Sekretären, Institutsleitern und Heads of Office, locker mit den Buchstaben „BH“ [biː eɪtʃ] zu jonglieren.
Ein Land mit einer hochkomplexen politischen Geschichte, im Jargon der internationalen Fachkräfte wendig heruntergekürzt auf zwei beschwörende Lettern. „Bi Äitsch“ – wir wissen ja, wovon wir reden. Das Land, in dem 1984 noch die Olympischen Winterspiele stattgefunden hatten, versunken in den letzten und blutigsten Krieg inmitten Europas und seitdem nicht wieder recht auferstanden.
Ruiniert und innenpolitisch lahmgelegt von einer korrupten Regierung nach der anderen, noch immer im Griff agitierender Parteien, die für ihren eigenen Machtgewinn weiterhin die verschiedenen Volksgruppen – (muslimische) Bosniaken, (orthodoxe) Serben, (katholische) Kroaten – gegeneinander ausspielen. Bei all dem an der kurzen Leine der internationalen Gemeinschaft, der EU, UN und ihrer resignierenden Vertretungen. 29 Prozent Arbeitslosigkeit. 45 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Und zwei Drittel aller Unter-35-Jährigen würden das Land verlassen – wenn sie könnten. „Bi Äitsch“, alles klar!?
Anders soll meine eigene kleine Forschungsreise durch Ost-Bosnien und Serbien aussehen, beschloss ich in der kriegsgezeichneten Multikulti-Stadt. Anders mein Zugang, anders mein Blick, anders meine Wegziele. Schon jetzt habe ich genug von dem vermeintlichen Wissen darüber, wie Politik und Kriege „auf dem Balkan“ gemacht werden.
Ich will wissen, wer die Menschen unabhängig von all den Konflikten, den politischen Selbstverortungen und kollektiven Leidensgeschichten sind. Will den Krieg am liebsten gar nicht thematisieren, gar nicht versuchen zu verstehen, was ohnehin unfassbar war und noch immer ist. Will die maschinengewehrsalvenzerschossenen Fassaden als das ansehen, was sie sind: längst alltäglich geworden in fast zwei Nachkriegsjahrzehnten, höchstens eine touristische Attraktion. Und will gerade dadurch dahinter blicken können. Geradezu unpolitisch will ich reisen, den Leuten begegnen, als gäbe es keine Spuren von Massengräbern in der Nachbarschaft und als hätte ich kein Interesse an ihnen als Kriegswaisen, sondern nur eines an der Normalität ihres jetzigen Lebens.
Himbeerhoffnungen
Ich verlasse Sarajevo zusammen mit Ingrid, Leiterin einer kleinen Stuttgarter Hilfsorganisation, die ich im Zuge der Exkursion kennengelernt habe. Wir wollen zur gleichen Zeit Richtung Serbien aufbrechen, also schlägt sie mir vor, sie in ihrem Camper zu begleiten: zunächst zu ihrem Projektdorf Fakovići an der bosnisch-serbischen Grenze und damit im serbischen Landesteil Bosniens, der Republika Srpska; und einen Tag später dann über die Grenze hinaus nach Zentralserbien.
Dankbar für diese Chance willige ich ein und so führt mich mein „unpolitischer“ Reiseversuch zuallererst just in einen kleinen Ort, dessen Antlitz und wirtschaftliche Lage symptomatisch für die Kriegsfolgen stehen könnten, der nur etwa dreißig Kilometer von Srebrenica liegt und zudem am Ufer der Drina, eines Grenzflusses, so geschichtsträchtig und geopolitisch aufgeladen wie schwerlich ein zweiter.
Wenn hier jemand einen Job hat, arbeitet er in Sechstagesschichten in den nahegelegenen Zink- und Bleibergwerken. Außerdem war eine Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass das einzige Entwicklungspotential des infrastrukturschwachen Fakovići der Himbeeranbau sei – ein regionaltypischer Agrarzweig, aber oft zu ineffizient oder nur zum Nebeneinkommen betrieben.
Ingrids Verein setzte auf selbstorganisierte Erzeugergemeinschaften und begann diejenigen mit Know-how und Ausstattung zu fördern, die etwas bewegen wollten. Ich kann diesen Ort nur kurz und als stummer Beobachter dokumentieren und festhalten: als ein Dorf, das sich mithilfe von Beerenproduktion in kleinen, aber erfolgreichen Schritten aus jener Apathie herauszuschälen versucht, die auch Ingrid als das dominierende bosnische Lebensgefühl ansieht und das für Muslime wie Serben gleichermaßen gilt: „die tiefe Abwesenheit eines Gefühls von ‚Ich kann, wenn ich mit etwas unzufrieden bin, etwas ändern – und es kann gelingen‘“.
Ich sehe die Schule von Fakovići, in der mithilfe deutscher Spendengelder eine tägliche Mahlzeit für die Kinder ausgeteilt wird. Ich betrachte Häuser, bei denen Geld und Willen wenigstens für eine halbe neue Fassade gereicht haben, was die klaffenden Einschusswunden im alten Putz aber nur noch sichtbarer macht. Ich sehe die Drina friedlich, idyllisch dahinfließen. Ich spreche nichts, außer vielen „hvalas“ – „hvala, hvala“. Danke, danke – für die Gastfreundschaft.
Als wir eine der Projektverantwortlichen besuchen und zum Nachmittagskaffee im Garten sitzen und selbstgepflückte Himbeeren essen, ist auch eigentlich keine Sprache nötig. Im gemeinsamen, einfachen Genuss der roten Früchte ist das Entscheidende ohne Worte präsent. Wir kosten etwas Bedeutsames, etwas von der erhofften Zukunft, etwas Süßeres als die harte Gegenwart und die noch härtere Vergangenheit.
Ich notiere das erste Wort einer Reisevokabelliste: màline – Himbeeren. Und mit diesem Wort den Gedanken, wie schwer es ist, diese Gegend nur in ihrem Jetzt und nicht als Schauplatz des vergangenen Konflikts zu bereisen. Wo schon das unschuldige Obst seinen Platz, seine Rolle, seine Funktion in der Nachkriegsgeschichte hat.
Gastbeitrag von Lennart Will
Das serbokroatische Wort für Hass besteht in der Hauptsache aus fünf Konsonanten und ist für mich als Deutschmuttersprachler vor allem unaussprechlich: mŕžnja. In seiner Hackigkeit möchte ich es beinahe lautmalerisch nennen. Onomatopoetisch – denke ich. Vrrroom Vrrroom. Wuff wuff. Ratatat. Peng peng. Mŕžnja mŕžnja. Ein Wort wie eine Panzersperre. Ich benutze es zum ersten Mal im Sommer 2013. Es steht auf Seite 305 in Langenscheidts Universal-Wörterbuch Serbokroatisch, dem „unentbehrlichen Hilfsmittel auf einer Reise nach Jugoslawien“, 106 mal 72 Millimeter, siebzehnte Auflage 1994-oh-was-ist-alles-seitdem-passiert. Ratatat. Peng peng. Mŕžnja mŕžnja. Serbien, Serbien: Wie soll ich sprechen, wie soll ich denken, wer soll ich sein in diesem Land?
Sprachbunker
Genauer bin ich in Zentralserbien, auch Engeres Serbien genannt. Im Westen dieses engen oder engeren Serbiens oder Serbiens im engeren Sinne liegt Ivanjica, 12.000 Einwohner, und in Ivanjica die Straße Šljivići, die sich ausgehend vom einzigen Kreisverkehrs des Städtchens, teils geteert, teils unbefestigt einen Hügel hochzwingt. Und dort oben, wo die Straße aufhört, bevor Wälder und Himbeerplantagen beginnen im Abendsonnenlicht, steht rechterhand ein eingeschossiges Einfamilienhaus mit drei Zimmern und Bad.
Und in der Wohnküche ein Sofa und auf dem Sofa ich und in meinen Händen der weichgeblätterte Langescheidt. Und neben mir Miloš Grujović, 16 Jahre und ein paar Zentimeter größer als ich, mit kurzgeschorenem blonden Haar und aufgeweckten Augen, pubertierend und ein wenig Macho, der mir soeben mit einem provokanten Lächeln und einer noch provokanteren Geste auf Höhe seiner Kehle klarmacht, dass man alle Albaner umbringen müsste.
In den simplen Ein- bis Zwei-Wort-Sätzen, die Miloš verwenden muss, damit ich nachvollziehen kann, was er sagt, knittert sich die Sprache zu starren Sinnblöcken zusammen. „Albaner“ und „töten“ gehören hier so unvermeidlich zusammen wie „Soldat“ und „Held“ oder „Deutschland“ und „Arbeit“. Kleine Bunker, in denen man sich als gefühlter Analphabet kaum bewegen kann. Ich habe vor dieser Reise zwei Stunden eines Serbokroatischkurses besucht, davon abgesehen spreche ich kein Serbisch oder Kroatisch oder Kroatoserbisch, Bosnisch oder Montenegrinisch und auch keine verwandte slawische Sprache; habe mich also freiwillig in diese ungewisse Bunkerlandschaft begeben.
Wie eine Warnkarte ziehe ich das kleine gelbe Buch hervor. Miloš hat sich in den letzten 24 Stunden daran gewöhnt, dass ich mir damit einen diplomatischen Wartebereich, eine entmilitarisierte Zone schaffe, in der ich nach den richtigen Worten suchen kann. Jetzt wartet er auf meine Antwort. Seine Mutter Mirjana räumt uns gegenüber den Esstisch ab und lauscht. Ich beginne zu blättern...
Bi Äitsch
Bevor ich vor zwei Tagen über die serbische Grenze kam, verbrachte ich eine Woche in Sarajevo, fünf Tage davon als Teil einer Exkursionsgruppe. „Konfliktsensible Entwicklungszusammenarbeit in einer Post-Bürgerkrieg-Gesellschaft“, so war der Forschungsaufenthalt überschrieben, währenddessen wir ein rundes Dutzend internationaler Organisationen besuchten, die sich seit dem Ende des Bosnienkriegs 1995 in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas angesiedelt haben.
OHC, UNDP, OHR, GIZ, ICMP, Akronymlabyrinthe, Korridore, Aufzüge, Metallscans, Besprechungsräume, Hosenanzüge, Krawatten, Abzeichen, Ränge, Flaggen und Fähnchen, Powerpointing, frustriertes Friedensdienstvokabular und politisch korrekte Fingerzeige, Aufschlussreiches hinter verschlossenen Türen, aber auch unnütze Antworten auf immergleiche Fragen.
Schnell, sehr schnell, so hatte ich das Gefühl, konnten wir uns im kosmopolitischen Sarajevo die aktuelle Lage des Landes erschließen lassen. Konnten lernen, wie man als „Internationaler“ über die politischen Wirren Ex-Jugoslawiens so denkt und schwadroniert. Konnten einstimmen in die deutschen und englischen Jammerchoräle über das unregierbare Bosnien-Herzegowina, einen „Failed State“, und lernten im Gespräch mit Sekretären, Institutsleitern und Heads of Office, locker mit den Buchstaben „BH“ [biː eɪtʃ] zu jonglieren.
Ein Land mit einer hochkomplexen politischen Geschichte, im Jargon der internationalen Fachkräfte wendig heruntergekürzt auf zwei beschwörende Lettern. „Bi Äitsch“ – wir wissen ja, wovon wir reden. Das Land, in dem 1984 noch die Olympischen Winterspiele stattgefunden hatten, versunken in den letzten und blutigsten Krieg inmitten Europas und seitdem nicht wieder recht auferstanden.
Ruiniert und innenpolitisch lahmgelegt von einer korrupten Regierung nach der anderen, noch immer im Griff agitierender Parteien, die für ihren eigenen Machtgewinn weiterhin die verschiedenen Volksgruppen – (muslimische) Bosniaken, (orthodoxe) Serben, (katholische) Kroaten – gegeneinander ausspielen. Bei all dem an der kurzen Leine der internationalen Gemeinschaft, der EU, UN und ihrer resignierenden Vertretungen. 29 Prozent Arbeitslosigkeit. 45 Prozent Jugendarbeitslosigkeit. Und zwei Drittel aller Unter-35-Jährigen würden das Land verlassen – wenn sie könnten. „Bi Äitsch“, alles klar!?
Anders soll meine eigene kleine Forschungsreise durch Ost-Bosnien und Serbien aussehen, beschloss ich in der kriegsgezeichneten Multikulti-Stadt. Anders mein Zugang, anders mein Blick, anders meine Wegziele. Schon jetzt habe ich genug von dem vermeintlichen Wissen darüber, wie Politik und Kriege „auf dem Balkan“ gemacht werden.
Ich will wissen, wer die Menschen unabhängig von all den Konflikten, den politischen Selbstverortungen und kollektiven Leidensgeschichten sind. Will den Krieg am liebsten gar nicht thematisieren, gar nicht versuchen zu verstehen, was ohnehin unfassbar war und noch immer ist. Will die maschinengewehrsalvenzerschossenen Fassaden als das ansehen, was sie sind: längst alltäglich geworden in fast zwei Nachkriegsjahrzehnten, höchstens eine touristische Attraktion. Und will gerade dadurch dahinter blicken können. Geradezu unpolitisch will ich reisen, den Leuten begegnen, als gäbe es keine Spuren von Massengräbern in der Nachbarschaft und als hätte ich kein Interesse an ihnen als Kriegswaisen, sondern nur eines an der Normalität ihres jetzigen Lebens.
Himbeerhoffnungen
Ich verlasse Sarajevo zusammen mit Ingrid, Leiterin einer kleinen Stuttgarter Hilfsorganisation, die ich im Zuge der Exkursion kennengelernt habe. Wir wollen zur gleichen Zeit Richtung Serbien aufbrechen, also schlägt sie mir vor, sie in ihrem Camper zu begleiten: zunächst zu ihrem Projektdorf Fakovići an der bosnisch-serbischen Grenze und damit im serbischen Landesteil Bosniens, der Republika Srpska; und einen Tag später dann über die Grenze hinaus nach Zentralserbien.
Dankbar für diese Chance willige ich ein und so führt mich mein „unpolitischer“ Reiseversuch zuallererst just in einen kleinen Ort, dessen Antlitz und wirtschaftliche Lage symptomatisch für die Kriegsfolgen stehen könnten, der nur etwa dreißig Kilometer von Srebrenica liegt und zudem am Ufer der Drina, eines Grenzflusses, so geschichtsträchtig und geopolitisch aufgeladen wie schwerlich ein zweiter.
Wenn hier jemand einen Job hat, arbeitet er in Sechstagesschichten in den nahegelegenen Zink- und Bleibergwerken. Außerdem war eine Studie zu dem Ergebnis gekommen, dass das einzige Entwicklungspotential des infrastrukturschwachen Fakovići der Himbeeranbau sei – ein regionaltypischer Agrarzweig, aber oft zu ineffizient oder nur zum Nebeneinkommen betrieben.
Ingrids Verein setzte auf selbstorganisierte Erzeugergemeinschaften und begann diejenigen mit Know-how und Ausstattung zu fördern, die etwas bewegen wollten. Ich kann diesen Ort nur kurz und als stummer Beobachter dokumentieren und festhalten: als ein Dorf, das sich mithilfe von Beerenproduktion in kleinen, aber erfolgreichen Schritten aus jener Apathie herauszuschälen versucht, die auch Ingrid als das dominierende bosnische Lebensgefühl ansieht und das für Muslime wie Serben gleichermaßen gilt: „die tiefe Abwesenheit eines Gefühls von ‚Ich kann, wenn ich mit etwas unzufrieden bin, etwas ändern – und es kann gelingen‘“.
Ich sehe die Schule von Fakovići, in der mithilfe deutscher Spendengelder eine tägliche Mahlzeit für die Kinder ausgeteilt wird. Ich betrachte Häuser, bei denen Geld und Willen wenigstens für eine halbe neue Fassade gereicht haben, was die klaffenden Einschusswunden im alten Putz aber nur noch sichtbarer macht. Ich sehe die Drina friedlich, idyllisch dahinfließen. Ich spreche nichts, außer vielen „hvalas“ – „hvala, hvala“. Danke, danke – für die Gastfreundschaft.
Als wir eine der Projektverantwortlichen besuchen und zum Nachmittagskaffee im Garten sitzen und selbstgepflückte Himbeeren essen, ist auch eigentlich keine Sprache nötig. Im gemeinsamen, einfachen Genuss der roten Früchte ist das Entscheidende ohne Worte präsent. Wir kosten etwas Bedeutsames, etwas von der erhofften Zukunft, etwas Süßeres als die harte Gegenwart und die noch härtere Vergangenheit.
Ich notiere das erste Wort einer Reisevokabelliste: màline – Himbeeren. Und mit diesem Wort den Gedanken, wie schwer es ist, diese Gegend nur in ihrem Jetzt und nicht als Schauplatz des vergangenen Konflikts zu bereisen. Wo schon das unschuldige Obst seinen Platz, seine Rolle, seine Funktion in der Nachkriegsgeschichte hat.
Samstag, 16. Mai 2015
Neuerscheinung: Bürgerhandbuch
Wenn wir bei Pharos über unsere Arbeit informieren, stehen in der Regel unsere Roma-Projekte in Bosnien oder unser Engagement zur Förderung der landwirtschaftlichen Entwicklung in Fakovici im Vordergrund. Was wir aber schon immer auch machen, ist Demokratie-, Friedens- und Menschenrechtsbildung. Beispiele dafür sind die Online-Lehrbücher auf D@dalos (beispielsweise zum Web 2.0, zur Europäischen Union oder zum Thema "Demokratie verstehen").
Aber es ist nicht alles nur digital und online, was wir publizieren. So ist Ende 2013 Recherche 2.0 erschienen, ein Buch zur Internetrecherche und zum webbasierten Wissensmanagement. Kaum waren die Arbeiten daran abgeschlossen, habe ich mich auf Einladung von Prof. Dr. Paul Ackermann und dem Wochenschau Verlag daran gemacht, zusammen mit Prof. Ackermann das Bürgerhandbuch für eine neue Auflage zu überarbeiten. Es ging darum, Aspekte wie Europäisierung, Globalisierung und Digitalisierung zu ergänzen sowie die übrigen Kapitel zu den Beteiligungsmöglichkeiten auf den verschiedenen Ebenen des deutschen politischen Systems zu aktualisieren. Das Ergebnis ist nun erschienen:
Die vollständig überarbeitete und erweiterte 4. Auflage bietet Basisinformationen und 99 Praxis-Tipps, um sich politisch zu beteiligen und einzumischen. Das Buch besteht aus den folgenden 14 Bausteinen:
Jedes Kapitel gibt Tipps zum Tun – insgesamt 99 an der Zahl. Durch Querverweise, Inhalts- und Stichwortverzeichnis werden sie sehr flexibel handhabbar und so zum regelrechten Handwerkszeug politischer Beteiligung. Literaturhinweise, Links und Surftipps machen Lust auf mehr.
Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten als Staatsbürger, EU-Bürger, Weltbürger, Wirtschaftsbürger und Netzbürger!
Aber es ist nicht alles nur digital und online, was wir publizieren. So ist Ende 2013 Recherche 2.0 erschienen, ein Buch zur Internetrecherche und zum webbasierten Wissensmanagement. Kaum waren die Arbeiten daran abgeschlossen, habe ich mich auf Einladung von Prof. Dr. Paul Ackermann und dem Wochenschau Verlag daran gemacht, zusammen mit Prof. Ackermann das Bürgerhandbuch für eine neue Auflage zu überarbeiten. Es ging darum, Aspekte wie Europäisierung, Globalisierung und Digitalisierung zu ergänzen sowie die übrigen Kapitel zu den Beteiligungsmöglichkeiten auf den verschiedenen Ebenen des deutschen politischen Systems zu aktualisieren. Das Ergebnis ist nun erschienen:
Die vollständig überarbeitete und erweiterte 4. Auflage bietet Basisinformationen und 99 Praxis-Tipps, um sich politisch zu beteiligen und einzumischen. Das Buch besteht aus den folgenden 14 Bausteinen:
- Vom Staatsbürger zum Weltbürger: Bürgerrollen im 21. Jahrhundert
- Deutsche und europäische Demokratie – ein Mehrebenensystem für Bürgerbeteiligung
- Sich Informationen beschaffen: Zeitung – Fernsehen – Google – Blogs
- Die Meinungsbildung beeinflussen, an die Öffentlichkeit gehen
- Durch Wahlen mitbestimmen: Kernstück jeder Demokratie
- Abstimmungen: An Sachentscheidungen mitwirken
- Parteien: An der politischen Willensbildung mitwirken
- Vereine und Verbände: Gesellschaftliche Aufgaben und Interessen wahrnehmen
- Von lokalen Bürgerinitiativen zu globalen NGOs: Sich für sich und andere einsetzen
- Extremismus: Gefahren für die Demokratie erkennen und bekämpfen
- Mit Verwaltungsbehörden umgehen: Bürger und Bürokratie als Partner
- Sich an Planungen beteiligen: Formen der Bürgermitwirkung
- Bürgerhaushalt: Können Bürger bei der Finanzplanung mitentscheiden?
- Bürger als Verbraucher im Weltmarkt: Durch bewussten Konsum Nachhaltigkeit fördern
Jedes Kapitel gibt Tipps zum Tun – insgesamt 99 an der Zahl. Durch Querverweise, Inhalts- und Stichwortverzeichnis werden sie sehr flexibel handhabbar und so zum regelrechten Handwerkszeug politischer Beteiligung. Literaturhinweise, Links und Surftipps machen Lust auf mehr.
Nutzen Sie Ihre Möglichkeiten als Staatsbürger, EU-Bürger, Weltbürger, Wirtschaftsbürger und Netzbürger!
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Donnerstag, 14. Mai 2015
10 Jahre Pharos - Spendenaufruf
Am 6. Mai 2015 hielten wir unsere Pharos-Mitgliederversammlung in Echterdingen ab. Dabei berichteten wir ausführlich über unsere Arbeit und gaben einen Ausblick auf geplante Projekte sowie auf mögliche zukünftige Entwicklungen. Wir erläuterten, weswegen wir verstärkt finanzielle und ideelle Unterstützung brauchen. Eine Woche darauf haben wir an alle Pharos-Mitglieder und alle, die uns je unterstützt haben, einen Spendenaufruf geschickt. Er beschreibt in einer kurzen Zusammenfassung, was wir an der Mitgliederversammlung präsentiert und beraten haben, und steht als pdf-Datei zur Verfügung...
Montag, 11. Mai 2015
Großartige Geschenke zum Jubiläum
Zehn Jahre gibt es Pharos nun schon. Wie jedes Jubiläum gibt auch dies Anlass zum Staunen. Zehn Jahre schon – wo wir doch scheinbar erst gestern in einem Degerlocher Vereinsheim zusammensaßen, um Pharos zu gründen, um unser aller Bedürfnis, für die Hilfe in Bosnien eine gute Grundlage zu schaffen, in die Tat umzusetzen. Zehn Jahre erst – wo doch so viel seither passiert ist, an Hilfe, an Kreativität, an Lernprozessen.
Jedenfalls stand für das Leitungsteam von Pharos schnell fest, dass die diesjährige Mitgliederversammlung ein wenig feierlicher als sonst ablaufen sollte. Doch welch gigantische Geschenke der Verein zu diesem Termin bekommen würde, überraschte am Ende alle.
Woran wir gedacht hatten: Ein Gläschen Sekt, ein paar Flaschen Wein und den herrlichen Jubiläums-Hefezopf von Brigitte. Ein bisschen Zusammenstehen, zurückschauen und ein paar neue Pläne schmieden. Was immer wieder schön ist bei dieser Versammlung: alte Bekannte wieder treffen, die man zuletzt vor einem Jahr gesehen hat. Wir sind eine Gemeinschaft, die weit verstreut ist – und sich trotzdem nicht aus den Augen verliert.
Doch als Hans Krämer und Ingrid Halbritter Rückschau und Vorschau gehalten hatten, nachdem die Formalien einer Hauptversammlung schon fast alle abgehandelt worden waren, konnte Hans Krämer das erste atemberaubende Geschenk verkünden. Kurz vor der Versammlung hatte eine Dame, die nicht genannt werden will, uns eine Spende von 30.000 Euro zukommen lassen. Natürlich schätzen wir jedes Mitglied gleichermaßen hoch, und doch muss an dieser Stelle noch einmal Dank gesagt werden an dieses Mitglied, dass dem Verein nicht nur absolute Planungssicherheit für mindestens zwei Jahre, sondern auch Spielraum für das Verwirklichen neuer Ideen gegeben hat.
Diese Nachricht vertiefte natürlich die festliche, von Dank erfüllte Stimmung an diesem Abend. Ein Mitglied nahm diese Atmosphäre sehr schön in einem Gedicht über Pharos auf, das Ragnar Müller schon gebloggt hat.
Zu guter Letzt, als der Vorstand entlastet war und der Punkt Verschiedenes aufgerufen wurde, wurden wir noch einmal reich beschenkt. Unser Mitglied Maria Fiedler, die die Musikschule Filderstadt leitet, verkündete ihre Idee, die sie schon in die Tat umgesetzt hatte: Das Benefizkonzert zum 40-jährigen Bestehen der Musikschule Filderstadt steht in diesem Jahr auch im Zeichen von Pharos. Die Hälfte der Einnahmen wird unserem Verein zugute kommen. Und natürlich dürfen wir im Umfeld des Konzerts für unsere Anliegen werben. Einen schöneren Rahmen für unsere Arbeit im zehnten Jahr kann es nicht geben.
Und so können wir als Vorstand nur staunen über unsere tollen Mitglieder und uns auf das Konzert und auf unsere gemeinsame Arbeit im zehnten Jahr von Pharos freuen.
Jedenfalls stand für das Leitungsteam von Pharos schnell fest, dass die diesjährige Mitgliederversammlung ein wenig feierlicher als sonst ablaufen sollte. Doch welch gigantische Geschenke der Verein zu diesem Termin bekommen würde, überraschte am Ende alle.
Jubiläums-Hefezopf |
Doch als Hans Krämer und Ingrid Halbritter Rückschau und Vorschau gehalten hatten, nachdem die Formalien einer Hauptversammlung schon fast alle abgehandelt worden waren, konnte Hans Krämer das erste atemberaubende Geschenk verkünden. Kurz vor der Versammlung hatte eine Dame, die nicht genannt werden will, uns eine Spende von 30.000 Euro zukommen lassen. Natürlich schätzen wir jedes Mitglied gleichermaßen hoch, und doch muss an dieser Stelle noch einmal Dank gesagt werden an dieses Mitglied, dass dem Verein nicht nur absolute Planungssicherheit für mindestens zwei Jahre, sondern auch Spielraum für das Verwirklichen neuer Ideen gegeben hat.
Diese Nachricht vertiefte natürlich die festliche, von Dank erfüllte Stimmung an diesem Abend. Ein Mitglied nahm diese Atmosphäre sehr schön in einem Gedicht über Pharos auf, das Ragnar Müller schon gebloggt hat.
Zu guter Letzt, als der Vorstand entlastet war und der Punkt Verschiedenes aufgerufen wurde, wurden wir noch einmal reich beschenkt. Unser Mitglied Maria Fiedler, die die Musikschule Filderstadt leitet, verkündete ihre Idee, die sie schon in die Tat umgesetzt hatte: Das Benefizkonzert zum 40-jährigen Bestehen der Musikschule Filderstadt steht in diesem Jahr auch im Zeichen von Pharos. Die Hälfte der Einnahmen wird unserem Verein zugute kommen. Und natürlich dürfen wir im Umfeld des Konzerts für unsere Anliegen werben. Einen schöneren Rahmen für unsere Arbeit im zehnten Jahr kann es nicht geben.
Und so können wir als Vorstand nur staunen über unsere tollen Mitglieder und uns auf das Konzert und auf unsere gemeinsame Arbeit im zehnten Jahr von Pharos freuen.
Samstag, 9. Mai 2015
10 Jahre Pharos - ein Gedicht
Bei der Mitgliederversammlung am 6. Mai 2015 haben wir den 10. Geburtstag unseres Vereins gefeiert und uns neben den Tagesordnungspunkten Zeit für Rückblicke und Dankbarkeit genommen. Ein Mitglied hat sich mit dem folgenden Gedicht zu Wort gemeldet:
In unsrer Welt herrscht vielfach Sturm.
Wie gut, dass da ein PHAROS-Turm
mit seinem Licht viel Strahlen sendet
und so ein wenig Elend wendet.
Für Kinder gibt’s ein warmes Essen,
die Roma werden nicht vergessen.
Die Mutter ohne Wohnungsraum
mit vielen Kindern fände kaum
‘ne kalte, düstre, nasse Kammer,
für Kinder ein ganz großer Jammer.
Doch PHAROS dachte sich was aus,
nun lebt sie schon in einem Haus.
Wer ahnt, wie viele Wegestunden
es braucht, bis Ämter überwunden
und sich bemühen, dass Papiere
aus ‚Nichtsein‘ hin zum Leben führe,
denn staatenlos zu sein ist schwer,
als wenn man nicht geboren wär.
Wenn einer Himbeern gerne mag,
wird glücklich sein, ganz ohne Frag,
dass Himbeern wachsen und gedeihen
und uns mit süßen Früchten freuen.
Doch PHAROS gibt nicht nur sein Licht,
viel wichtiger ist das Gewicht,
dass dieses Leuchten hilft den Schiffen
nicht hart zu kentern auf den Riffen,
dass Leuchten hilft, den Kurs zu finden,
um eignes Handeln zu ergründen,
um mündig, fähig zu gestalten,
mit Selbstbewusstsein zu verwalten
das eigne Leben, Dank der Schar,
die dort als PHAROS tätig war.
10 Jahre! Liebe PHAROS-Leute,
ein Fest für uns. Wir danken heute
dem PHAROS-Team, der ganzen Schar:
Das, was Ihr tut, ist wunderbar!
Sonntag, 3. Mai 2015
BpB: Sinti und Roma
Dass die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) hervorragende Informationen über die größte europäische Minderheit, die Roma, zur Verfügung stellt, darüber haben wir an dieser Stelle wiederholt berichtet. So findet sich im umfangreichen Online-Angebot der bpb u.a. ein Online-Dossier und eine Ausgabe der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" zum Thema. Neu hinzugekommen ist ein Buch aus der Schriftenreihe der Bundeszentrale (Band 1573), das die Situation in Deutschland in den Mittelpunkt stellt:
Oliver von Mengersen (2015), Sinti und Roma. Eine deutsche Minderheit zwischen Diskriminierung und Emanzipation, Bonn.Die Kurzbeschreibung auf der bpb-Website lautet folgendermaßen:
"Die Geschichte der Roma-Minderheiten in Europa reicht bis ins Mittelalter zurück. Seit sechshundert Jahren sind sie auch in Deutschland ansässig. In der Öffentlichkeit ist darüber nur wenig bekannt. Das Wissen zur Geschichte der Sinti und Roma beschränkt sich häufig auf deren Verfolgung im Nationalsozialismus. Die Zeit vor 1933 wird meist ebenso vernachlässigt wie die Frage, wie es den Überlebenden des Genozids nach 1945 erging. Der Band zeichnet konzise, aber thematisch weit gefasst die Geschichte der Sinti und der Roma in Deutschland von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart nach. Dabei erschöpft er sich nicht im Blick von außen auf die Minderheit, sondern nimmt auch deren Perspektive auf."Das Buch kann hier für 4,50 Euro bestellt werden...
Mittwoch, 15. April 2015
Pharos Tätigkeitsbericht 2014 online
Wer sich umfassend über unsere Arbeit im vergangenen Jahr informieren möchte, kann ab sofort online auf den Pharos-Jahresbericht 2014 [pdf, 52 kb] zugreifen. Wir legen großen Wert auf Transparenz. Deshalb listet der Bericht äußerst detailliert alle Ausgaben und Einnahmen auf...
Donnerstag, 9. April 2015
Artikel zum Internationalen Roma Tag
"Flag of the Romani people" by AdiJapan, Wikimedia Commons |
(1) EU regrets Roma integration a long way off
(2) Addressing anti-Gypsyism must be a priority on International Roma Day (by Rokhaya Diallo, European Network Against Racism)
(3) Roma integration: The EU has a role to play (by Shannon Pfohman, Caritas Europa)
(4) International Roma Day: A symbol of political unity (by Martin Demirovski, Roma rights advocat)
Freitag, 20. Februar 2015
Online-Dossier: Roma
Das österreichische Schulportal schule.at hat ein vielfältiges Online-Dossier mit Hinweisen und Links zum Thema "Roma und Sinti" veröffentlicht. Dieses Dossier ergänzt dasjenige der deutschen Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), das hier im Blog bereits vorgestellt wurde, und umfasst Links zu Büchern, Filmen, zu zentralen Dokumenten und Berichten sowie zu einer aktuellen Ausstellung in Wien.
Sonntag, 11. Januar 2015
Roma - neues Buch und weitere Informationsquellen
Vor kurzem habe ich in diesem Blog Lektüreempfehlungen für all diejenigen zusammengestellt, die etwas mehr über Roma wissen möchten. Die dort genannten Ressourcen und Bücher können nun um ein kürzlich im Wochenschau Verlag erschienenes Buch ergänzt werden:
Max Matter (2015), Nirgendwo erwünscht. Zur Armutsmigration aus Zentral- und Südosteuropa in die Länder der EU-15 unter besonderer Berücksichtigung von Angehörigen der Roma-Minderheiten, Schwalbach/Ts.Auf der Verlagsseite wird das Buch folgendermaßen beschrieben:
"Die Einwanderung von Roma gilt in Westeuropa als Problem, weil sie arm sind und weil eine Belastung des Wohlfahrtsstaats gefürchtet wird. Dabei werden regelmäßig die großen Unterschiede zwischen den Roma-Gruppen übersehen. Die politische Abwehr gegen sie greift alte antiziganistische Vorurteile auf und verstärkt diese. Die Bekämpfung des Rassismus denjenigen gegenüber, die zu uns kommen, weil sie auf der Flucht sind oder von ihrer Freizügigkeit Gebrauch machen, wird nicht ausreichend als politische Aufgabe anerkannt. Dieser Band liefert sachliche Grundlagen für eine Diskussion über gesellschaftspolitische Aufgaben und politische Entscheidungen zur Verbesserung der Inklusion und Teilhabe von Roma in Deutschland. Max Matter gelingt es, die Brücke von der fachwissenschaftlichen Diskussion zum kommunalen Alltag zu schlagen: unentbehrlich für alle, die verantwortlich und korrekt informiert für Roma Politik machen wollen."Weitere Informationen zu Buch und Autor finden sich auf der Website "Mediendienst Integration", die über die Buchpräsentation im Dezember 2014 berichtet:
"Bei der Präsentation erklärte der Ethnologe: 'Die Roma gibt es nicht.' Roma seien – anders als von der EU, dem Europarat und einigen Romanationalisten gerne dargestellt – 'kein in sich geschlossenes Volk, sondern allenfalls ein Konglomerat ethnischer Gruppen'. Romagruppen unterscheiden sich demnach unter anderem in ihren Sprachen und Dialekten, Religionen usw. Ihre Gemeinsamkeit in Europa liege in der 'leider überall festzustellenden Ausgrenzung, Missachtung und Benachteiligung', so Matter. Sie seien schlicht 'nirgendwo erwünscht'. Hinzu komme großes Desinteresse: Eine Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeige etwa, wie wenig die Bevölkerung über die Minderheiten weiß. Matter kritisiert, dass die Vielfalt in den verschiedenen Roma-Gruppen in den Debatten meist ebenso ignoriert wird, wie die Gründe für ihre Migration" (http://mediendienst-integration.de/artikel/migration-von-roma-max-matter-buch-nirgendwo-erwuenscht.html).Der Mediendienst Integration stellt auch über den zitierten Artikel hinaus eine hervorragende Informationsquelle zum Thema Roma dar. So beantwortet etwa ein Dossier "Sinti und Roma" grundlegende Fragen:
- Wer sind "die Roma"?
- Sinti? Roma? Wie bezeichne ich die Gruppe richtig?
- Wie viele Sinti und Roma leben in Deutschland?
- Als nationale Minderheit anerkannt: was heißt das?
- Antiziganismus in Deutschland
- Antiziganismus in der Europäischen Union
- EU-Fortschrittsbericht zu Roma
- EU-Förderungen für die Integration von Sinti und Roma
- Die Roma-Dekade: 2005 bis 2015
- Untersuchung zu Roma im Bildungsbereich
- Ansprechpartner zu Roma & Sinti
Beim Mediendienst Integration handelt es sich um "eine Informations-Plattform für
Medienschaffende (...). Hier finden Journalisten
mit wenigen Klicks die wesentlichen Informationen zu den Themenfeldern
Migration, Integration und Asyl in Deutschland. (...) Der Mediendienst ist ein Projekt des 'Rats für Migration e.V.' (RfM), einem bundesweiten Zusammenschluss von Migrationsforschern. Seit seiner Gründung setzt er sich für eine differenzierte Debatte über die Politikfelder Migration und Integration ein" (siehe http://mediendienst-integration.de/ueber-uns.html). Was das Thema Roma betrifft, seien noch die folgenden drei Beiträge empfohlen:
(1) Offener Brief (07.04.2014): "Niemand von uns verlässt gerne seine Heimat"
(1) Offener Brief (07.04.2014): "Niemand von uns verlässt gerne seine Heimat"
"Als ich den Menschen in Stolipinovo über die Debatte in Deutschland
zu Armutsmigration erzählte, waren sie sehr überrascht", sagt der
Stadtsoziologe. Insbesondere wunderte sie die Vorstellung, sie würden
nach Deutschland ziehen, um Sozialleistungen zu beantragen. "Fast
niemand in Stolipinovo hat jemals etwas von Sozialleistungen gehört",
berichtet Kurtenbach.
(2) Antiziganismus-Gutachten (18.07.2014): "Medien reproduzieren 'Zigeuner'-Stereotype"
"Sie klauen, entführen Kinder oder sind Analphabeten auf Wanderschaft: Vorurteile gegenüber Sinti und Roma sind in den Medien weit verbreitet. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die den Antiziganismus in den deutschen Medien umfassend untersucht hat. Demnach werden in Berichten über 'Armutszuwanderung' oder 'Einbrecher-Banden' uralte Klischees reproduziert, die von Journalisten oft nicht erkannt und hinterfragt werden. Öffentlich-rechtliche Medien bilden dabei keine Ausnahme."
(3) Interview (20.01.2014): "Sätze, die für keine andere Gruppe geschrieben würden"
"In der aktuellen Debatte wird der Begriff "Armutszuwanderer" häufig als Synonym für Roma aus Osteuropa verwendet. Antiziganismusforscher Markus End kritisiert das in einem Interview mit der Deutschen Welle. Die Existenz gebildeter und wohlhabender Roma, die nicht ins Klischeebild passen, gehe in der Diskussion völlig unter. In den Medien sei zu wenig Sensibilität für Antiziganismus vorhanden."
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